INTERVIEW 
           
          von Tony Attwood mit Temple Grandin 
       
       
      Im Blickpunkt 
        Tony & Temple  
       
        
      
      Dieser 
        Artikel (die Originalversion) wurde ursprünglich in der Januar-Februar 
        2000 Ausgabe 2000 von Autism Asperger’s Digest abgedruckt von 'Future 
        Horizons'. Für weitere Information darüber besuchen Sie bitte 
        http://www.autismdigest.com/ 
          
       
       Anmerkung:: 
        Das folgende Interview wurde aufgenommen am 9. Dezember 1999, während 
        einer Präsentation von Temple Grandin in San Francisco für Future 
        Horizons. Das Publikum war begeistert, und durfte viele persönliche 
        und manchmal humorvolle Einblicke in Temples Leben nehmen. Es war eine 
        seltene Chance Temple selber lachen zu sehen . . . Viel Spaß! 
       
        Temple 
          Grandins Autobiographie, Emergence: 
          Labeled Autistic (Durch die gläserne 
          Tür) und ihr nachfolgendes Buch, Thinking 
          in Pictures, enthalten zusammengenommen mehr Informationen und 
          Einblicke in den Autismus, als ich in irgendeinem Fachbuch gelesen habe. 
          Als ich das erste Mal eine ihrer Präsentationen miterlebte, bemerkte 
          ich sofort ihre Offenheit und Aufrichtigkeit. Die gesamte Zuhörerschaft 
          war gefesselt von ihrem Wissen. 
        Ich 
          war erfreut darüber, als man mich um ein Interview mit Temple bat, 
          weil es die Möglichkeit bot, ihren Rat zu hören in vielerlei 
          Hinsicht. Sie hat eine erstaunlich gewinnende Persönlichkeit und 
          während des Inteviews in San Francisco hat sie die gesamte Zuhörerschaft 
          von über 300 Menschen für sich gewonnenn. Der Applaus am Schluß 
          war laut und anhaltend. 
        Temple 
          ist meine Heldin. Sie hat meine Stimme als die Person, die den größten 
          Fortschritt in unserem Verständnis für den Autismus in diesem 
          Lande gebracht hat. 
        Dr. 
          Tony Attwood 
          
       
       
      
         
         
          | 
             Tony: 
             | 
          Temple, 
            Du wurdest mit Autismus diagnostiziert, als Du 15 Jahre alt warst. 
            Wie haben Deine Eltern Dir das beigebracht, und wie hast Du Dich gefühlt, 
            als Du darüber informiert wurdest? | 
         
         
          | 
             Temple: 
             | 
          Nun, 
            sie haben es mir nie wirklich beigebracht. Ich habe es irgendwie selber 
            herausgefunden auf merkwürdige Weise von meiner Tante. Denk daran, 
            daß ich 53 Jahre alt bin, und jene Zeit war eine Freudianische 
            Ära, eine völlig andere Zeit.  
             Eigentlich, 
              ja eigentlich war ich irgendwie erleichtert herauszufinden, daß 
              da irgendetwas nicht stimmte mit mir. Es erklärte, warum ich 
              mit anderen Kindern in der Schule nicht klar kam, und warum ich 
              einige Dinge, die Teenager nun einmal tun nicht verstanden habe 
              - wie als meine Zimmergenossin ohnmächtig wurde wegen der Beatles. 
              Sie rollte kreischend auf dem Fußboden vor der Ed Sullivan 
              Show. Ich dachte, ja, Ringo ist süß, aber ich würde 
              nicht mit ihm auf dem Fußboden rollen . . . 
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          | 
             Tony: 
             | 
          Nun, 
            wenn es Deine Aufgabe wäre, einem 14- oder 15-jährigen zu 
            erklären, daß Du Autismus oder Asperger Syndrom hast, wie 
            würdest Du heute vorgehen? | 
         
         
          | 
             Temple: 
             | 
          Ich 
            denke ich würde ihm Dein Buch und mein Buch geben . . . Nun, 
            ich würde es wahrscheinlich nur in einer technischen Weise erklären, 
            daß es eine unreife Entwicklung im Gehirn ist, die das sozialen 
            Zurechtfinden beeinträchtigt.  
             Ich 
              bin grundsätzlich ein “Tekkie” - diese Art von Person bin ich. 
              Ich möchte Dinge richten. Bei den meisten Dingen, die ich tue, 
              gehe ich den ingenieurmäßigen Weg; meine Emotionen sind 
              einfach. Ich fühle Zufriedenheit, wenn ich gute Arbeit tue. 
              Ich fühle Zufriedenheit, wenn Eltern zu mir kommen und sagen 
              "Ich habe Dein Buch gelesen, und es hat meinem Kind in der 
              Schule geholfen". Ich fühle Zufriedenheit durch das, was 
              ich tue. 
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          | 
             Tony: 
             | 
          Ich 
            glaube mich erinnern zu können, daß als du sehr klein und 
            sehr autistisch warst, gab es bestimmte autistische Verhaltensweisen, 
            die Dich ehrlich erfreut haben. Was genau waren sie? | 
         
         
          |  
             Temple: 
           | 
          Eines 
            der Dinge, die ich gewöhnlich tat, war es, Sand durch meine Finger 
            rieseln zu lassen, und dabei den Sand zu beobachten, jedes einzelne 
            Körnchen zu studieren wie ein Wissenschaftler mit einem Mikroskop. 
            Wenn ich das tat, konnte ich die ganze Welt ausblenden. Weißt 
            Du, ich denke es ist OK für ein autistisches Kind hin und wieder 
            so etwas zu tun, denn es ist beruhigend.  
             Aber 
              wenn sie es den ganzen Tag tun, dann werden sie sich nicht entwickeln. 
              Lovaas Forschung zeigt, daß Kids 40 Stunden in der Woche mit 
              der Welt verbunden sein sollten.  
              Ich bin nicht einverstanden mit 40 Stunden pro Woche bei, wie ich 
              es nenne 'Kernangewandter Verhaltensanalyse', einfach nur am Tisch. 
               
            Aber 
              ich hatte 40 Stunden wöchentlich in der Welt. Ich hatte anderthalb 
              Stunden pro Tag Miss Manners Mahlzeiten, bei denen ich mich benehmen 
              mußte. Die Kinderfrau spielte strukturierte Kinderspiele mit 
              mir und meiner Schwester, die eine Menge Gegenseitigkeit verlangten. 
              Ich hatte meine Sprachtherapie-Klasse jeden Tag . . . all diese 
              Dinge waren sehr wichtig für meine Entwicklung 
             | 
         
         
          |  
             Tony: 
           | 
          Eben 
            benutztest Du das Wort 'beruhigend'. Eines der Probleme, die einige 
            Personen mit Autismus oder Asperger Syndrom haben ist, mit ihrem Temperament 
            umzugehen. Wie konntest Du Dein Tempetament kontrollieren? | 
         
         
          |  
             Temple: 
           | 
           
             Als 
              ich ein kleines Kind war, und ich hatte Wutausbrüche in der 
              Schule, sagte meine Mutter einfach, "Du wirst heute Abend nicht 
              die Howdy Doody show anschauen." 
            Ich 
              war in einer normalen Schule - 12 Kinder in einer Klasse, ein strukturierter 
              Klassenraum. Es gab eine Menge Absprachen zwischen der Schule und 
              zu Hause. Ich wußte, daß ich nicht meine Mutter gegen 
              die Lehrer ausspielen konnte, oder umgekehrt. Ich wußte ganz 
              einfach, wenn ich ausrastete, wenn mein Temperament mit mir durchging, 
              dann würde ich an diesem Abend kein Fernsehen schauen.  
               
            
            Als 
              ich auf die höhere Schule kam, und andere Kinder ärgerten 
              mich, bin ich ich in einige ernsthafte Faustkämpfe geraten. 
              Ich wurde aus der Schule geworfen - das war eben nicht gut.  
            Und 
              dann, als ich fortging ins Internat, und dort in Faustkämpfe 
              verstrickt wurde, drohte man mir an, mir das Reiten zu verbieten. 
              Nun, ich wollte aber gerne reiten, und nachdem man mir ein einziges 
              Mal die Erlaubnis zu Reiten genommen hatte, hörte ich auf zu 
              kämpfen. So einfach war das. 
             | 
         
         
          |  
             Tony: 
           | 
          Aber 
            darf ich fragen, persönlich, gegen wen hattest Du gekämpft, 
            und: hast Du gewonnen? | 
         
         
          |  
             Temple: 
           | 
          Nun 
            . . . Gewöhnlich habe ich eine Menge Kämpfe gewonnen . . 
            . | 
         
         
          |  
             Tony: 
           | 
          Hast 
            Du gegen die Mädchen oder gegen die Jungs gekämpft? | 
         
         
          |  
             Temple: 
           | 
          Beides 
            - immer gegen die, die mich ärgerten. | 
         
         
          |  
             Tony: 
           | 
          Also, 
            Du hast die Jungen erledigt? | 
         
         
          |  
             Temple: 
           | 
          Oh, 
            Ich erinnere mich, einmal habe ich einen Jungen direkt in der Cafeteria 
            geboxt . . .  
             Und 
              dann, als ich aufhörte zu kämpfen, ging es so weiter, 
              daß ich einfach anfing ich zu weinen, denn ich mußte 
              meine Emotionen auf irgendeine Weise loswerden. Das passiert noch 
              heute - Ich weine einfach, denn das ist meine Art, das Kämpfen 
              zu verhindern. Ich vermeide möglichst Situationen, wo Menschen 
              explodieren und wütend werden. Ich gehe einfach woanders hin. 
             | 
         
         
       
      
        
       
      
         
         
          |  
             Tony: 
           | 
          Ich 
            würde Dich gerne etwas technisches fragen. Wenn Du 10 Millionen 
            Dollar für die Forschung hättest, und Du könntest entweder 
            Forschung in neuen Bereichen damit beginnen, oder existierende Bereiche 
            unterstützen, wo würdest Du das Geld anlegen? | 
         
         
          |  
             Temple: 
           | 
          Einer 
            der Bereiche wo ich es anlegen würde, wäre, wirklich herauszufinden, 
            was die ganzen sensorischen Schwierigkeiten hervorruft. Mir ist bewußt, 
            daß es nicht das Kerndefizit des Autismus ist, aber es ist etwas, 
            was es Menschen mit Autismus extrem schwierig macht zu funktionieren.  
            
             Eine 
              andere wirklich schlimme Sache ist, besonders am High-Functioning 
              Ende des Spektrums, daß je älter die Menschen werden, 
              desto mehr wächst die Angst. Auch wenn sie Prozac oder Ähnliches 
              nehmen, sind sie so furchtsam, daß es schwierig ist zu funktionieren. 
              Ich wünschte, es gäbe einen Weg dies zu kontrollieren, 
              ohne sie mit Drogen und Medikamenten zu Tode zu dopen. 
            Dann 
              gibt es Themen wie, sollten wir dem Autismus vorbeugen? Ich bin 
              sehr besorgt über dieses Thema, denn wenn wir die Genetik, 
              die den Autismus auslöst komplett auslöschten, dann würden 
              wir auch eine ganze Menge talentierter und begabter Menschen auslöschen, 
              so wie Einstein. Ich denke das Leben ist ein Kontinuum von normal 
              bis unnormal. Schlußendlich sind es nicht die wirklich sozialen 
              Menschen, die Computer entwickeln, die Kraftwerke bauen oder große 
              Hotelanlagen so wie diese hier. Die sozialen Leute sind viel zu 
              sehr damit beschäftigt sozial zu sein. 
             | 
         
         
          |  
             Tony: 
           | 
          Nun, 
            Du würdest also nicht dafür sammmeln, Asperger Syndrom loszuwerden. 
            Du siehst es also nicht als Tragödie an? | 
         
         
          |  
             Temple: 
           | 
          Also, 
            es wäre vielleicht ganz schön, die Ursachen für die 
            Schwerstbehinderungen loszuwerden, wenn es dann einen Weg gäbe 
            einen Teil der Genetik beizubehalten. 
             Aber 
              das Problem besteht darin, das es eine Menge interagierender Gene 
              gibt. Wenn man ein paar der Züge hat, bzw. nur leichte Ausprägungen, 
              ist es gut, wenn man zuviel der Züge hat, ist es schlecht. 
              Es scheint, daß so die Genetik funktioniert. 
            Eine 
              Sache die ich durch meine Arbeit mit Tieren gelernt habe ist, wenn 
              Züchter eine bestimmte Eigenart überselektieren, kann 
              es passieren, daß schlechte Züge damit einhergehen, und 
              mit verstärkt werden. Zum Beispiel Hühner, sie wurden 
              ausgewählt für schnelles Wachstum und eine Menge Fleisch, 
              aber dann hatten sie Probleme mit dem Knochengerüst, daß 
              nicht mehr stark genug war. Also wurde ein starkes Skelett wieder 
              eingezüchtet. Und die große, üble Überraschung 
              war, es kamen Hähne dabei heraus, die die brütenden Hennen 
              attackierten and nach ihnen hackten. Als sie die starken Knochen 
              wieder eingezüchtet hatten, verloren sie dabei das normale 
              Brutverhalten der Hähne.  
            Nun, 
              wer hätte solche merkwürdigen Schwierigkeiten vorrausgesagt? 
              So funktioniert die Genetik. 
             | 
         
         
          |  
             Tony: 
           | 
          Temple, 
            eine Eigenschaft von Dir ist, daß Du Leute zum Lachen bringst. 
            Ich denke, manchmal ist das gar nicht Deine Absicht, aber Du hast 
            eine großartige Gabe andere zum Lachen zu bringen. Was bringt 
            Dich zum Lachen? Wie ist Dein Sinn für Humor? | 
         
         
          |  
             Temple: 
           | 
          Einmal, 
            mein Humor ist basiert auf visuellen Dingen. Als ich Dir über 
            die Hühner erzählte, sah ich Bilder von ihnen. Einmal war 
            ich im Konferenzraum unserer Abteilung an der Universität. Sie 
            haben gerahmte Bilder dort von allen ehemaligen Abteilungsleitern, 
            in schweren, breiten Holzrahmen. Ich schaute darauf und sagte, "Oh, 
            gerahmte Kerle!" (Anm. d. Übers.: Sie sagte 'framed geezers', 
            ich vermute dabei ein Wortspiel, das wohl nur im Englischen funktioniert...) 
            An einer anderen Fakultät schaute ich mir ähnliche Bilder 
            an, und ich wollte platzen vor lachen, als ich an die 'gerahmten Kerle' 
            dachte. Das ist visueller Humor. | 
         
         
          | Tony: | 
          Und, 
            Du hast eine Geschichte über Tauben? | 
         
         
          | Temple: | 
          Oh 
            ja, die Sache mit den Tauben. Wayne und ich rollten uns einmal am 
            Boden vor lachen in einer Nacht über die Tauben. Am Denver Flughafen 
            sind eine Menge Tauben und sie säubern dort nicht von toten Tauben 
            auf dem Parkplatz. Ich fing an darüber nachzudenken, an welchen 
            Ort ich die toten Tauben packen könnte . . . wie einen Taubenschmuck 
            für das Verdeck für die ganzen Stadt-LKWs von Denver und 
            so.  
            Dann gibt es dort diesen Ort der 'Tauben-Fall-Zone' genannt wird. 
            In der Parkzone da ist dort dieser Beton-Pfeiler wo sie alle nisten 
            . . . nun, und man möchte natürlich nicht in der 'Tauben-Fall-Zone 
            parken'. Jedes Mal, wenn ich in das Parkhaus gehe, frage ich mich, 
            welches teure, große, tolle 30,000 Dollar Gefährt wieder 
            in der 'Tauben-Fall-Zone' geparkt hat... | 
         
         
          | Tony: | 
          Also, 
            das erklärt warum Du manchmal in Gelächter ausbrichst, und 
            andere Leute haben keine Ahnung was da vor sich geht. | 
         
         
          | Temple: | 
          Das 
            stimmt, einfach weil ich auf ein Bild innerhalb meines Kopfes schaue, 
            daß irgendwie lustig ist . . . Ich sehe einfach diese Motorhaube 
            eines LKWs der Stadt Denver mit dem Taubenschmuck vor mir - es ist 
            einfach urkomisch. | 
         
         
       
      
        
       
      
         
         
          | Tony: | 
          Über 
            Deine Familie: Deine Mutter war ein sehr wichtiger Teil Deines Lebens. 
            Was für eine Art Person war sie? Was hat sie persönlich 
            getan, das Dir geholfen hat? | 
         
         
          | Temple: | 
          Sie 
            hielt mich außerhalb von Institutionen, das zu allererst. Du 
            mußt dabei im Kopf behalten, daß das alles 50 Jahre her 
            ist; alle Experten empfahlen, mich in eine Institution zu geben. Mutter 
            brachte mich zu einem wirklich guten Neurologen, und der Neurologe 
            empfahl die Sprachtherapie im Kindergarten. Das war einfach Glück. 
            Der Kindergarten wurde von zwei Frauen geleitet, in ihrem eigenen 
            Haus. Sie hatten dort sechs Kinder, und die waren nicht alle autistisch. 
            Sie waren einfach gute Erzieherinnen, die wußten, wie man mit 
            Kindern umgeht.  
            Als nächstes holte sie ein Kindermädchen, als ich drei war, 
            und dieses Kindermädhcen hatte schon Erfahrung mit autistischen 
            Kindern. Ich habe das Gefühl, daß diese Kinderschwester 
            möglicherweise selber Asperger hatte, denn sie hatte einen alten 
            Autositz aus ihrem Jeep in ihrem Zimmer - es war ihr Lieblingsplatz 
            zum sitzen . . . | 
         
         
          | Tony: | 
          Wie 
            hat Deine Mutter als Person Dir noch geholfen? | 
         
         
          | Temple: | 
          Also, 
            sie hat eine Menge mit mir gearbeitet. Sie ermutigte mein Interesse 
            an Kunst; sie zeichnete manchmal mit mir. Sie arbeitete als Journalistin, 
            hat eine Fernsehsendung über retardierte Menschen zusammengestellt, 
            und eine andere Sendung über emotional gestörte Kinder.  
            
             Als 
              Journalistin hat sie verschiedene Schulen besucht. Als ich in Schwierigkeiten 
              geriet in der 9. Klasse, weil ich ein Mädchen mit einem Buch 
              beworfen hatte - ich wurde rausgeschmissen aus der Schule und wir 
              mußten eine neue Suchen - fand sie ein Internat, das eine 
              der Schulen war, die sie in ihrer Funktion als Journalistin besucht 
              hatte. Wenn sie das nicht getan hätte für mich, . . . 
              ich weiß nicht, was dann geschehen wäre. 
            Als 
              ich erst einmal im Internat war, da fand ich dann Menschen wie mein 
              Naturkundelehrer, und meine Tante Ann draußen auf der Ranch, 
              die ein anderer wichtiger Mentor für mich war. Aber es gab 
              noch eine Menge anderer Leute die mir auf meinem Weg halfen. 
             | 
         
         
          | Tony: | 
          Und 
            wie ist das mit Deinem Vater? Bitte beschreibe Deinen Vater und Deinen 
            Großvater. | 
         
         
          | Temple: | 
          Mein 
            Großvater mütterlicherseits erfand den Autopiloten für 
            Flugzeuge. Er war sehr schüchtern und still; er war nicht sehr 
            sozial. Auf meiner väterlichen Seite hatten wir Temperament-Schwierigkeiten. 
            Mein Vater dachte nicht, aus mir würde viel werden, er war auch 
            nicht sehr sozial. | 
         
         
          | Tony: | 
          Wie 
            entspannst Du Dich? Was tust du, um zur Ruhe zu kommen am Ende des 
            Tages? | 
         
         
          | Temple: | 
          Bevor 
            ich Medikamente bekam, schaute ich gewöhnlich Star Trek - Ich 
            war ein ziemlicher Trekkie. Eines der Dinge die ich besonders an der 
            alten, klassischen Star Trek Serie mochte war, daß daß 
            sie immer gute, moralische Prinzipien hatte.  
             Ich 
              bin sehr besorgt über die ganze Gewalt und so. Nicht so sehr 
              darüber, wieviele Gewehre knallen in irgendeinem Film, sondern, 
              daß der Held oft keine guten Werte hat. Als ich ein kleines 
              Kind war, haben Superman und die Lone Ranger niemals etwas Falsches 
              getan. Heutzutage haben wir Helden, die Dinge tun wie die Frau ins 
              Wasser schmeißen oder die Frau wird am Ende erschossen; der 
              Held sollte die Frau beschützen, nicht erschießen lassen.  
            Man 
              hat keine klar umrissenen Werte. Und das beunruhigt mich, denn meine 
              Moral wird von Logik bestimmt. Was wären aus meiner Logik und 
              meiner Moral geworden, wenn ich damals nicht die Sendungen gesehen 
              hätte, mit klaren moralischen Prinzipien? 
             | 
         
         
          | Tony: | 
          Wenn 
            wir ins nächste Millenium gehen, in weiteren hundert Jahren, 
            was meinst Du, wie sich unser Verständnis des Autismus ändern 
            wird? | 
         
         
          | Temple: | 
          Oh, 
            Ich weiß es nicht . . . wir werden wahrscheinlich die Gentechnik 
            beherrschen und es wird ein Programm Windows 3000 "Stelle einen 
            Menschen her" geben. Man wird dann den DNS Code lesen können. 
            Wir wissen heutzutage noch nicht genau, wie das funktioniert. Wissenschaftler 
            können die DNS manipulieren - herausnehmen und einbauen - aber 
            sie können nicht den vier-Basen-Quellcode lesen. In hundert Jahren 
            wird man dazu in der Lage sein. Und ich glaube nicht daß es 
            dann noch Autismus geben wird, jedenfalls nicht in den schweren Ausprägungen, 
            denn wir werden in der Lage sein, die DNS absolut zu manipulieren. | 
         
         
          | Tony: | 
          Es 
            gibt eine Anzahl von Leuten, die Autismus oder Asperger Syndrom haben, 
            die Autobiographien geschrieben haben. Wer sind Deine Helden im Autismus/Asperger 
            Bereich, die selber Betroffen sind? | 
         
         
          | Temple: | 
          Ich 
            schaue wirklich auf die Leute, die aus ihrem Leben einen Erfolg gemacht 
            haben. Es gibt eine Dame mit Namen Sara Miller; sie programmiert Industriecomputer 
            für Fabrikautomation. Es gibt eine Dame hier heute Abend, sehr 
            hübsch gekleidet, die ihr eigenes Juweliergewerbe besitzt, und 
            sie erzählte mir, sie habe Asperger. Solche Leute sind meine 
            Helden. Jemand, der sein Leben zum Erfolg bringt, der aufsteht, und 
            Dinge bewirkt. | 
         
         
          | Tony: | 
          Was 
            ist mit berühmten historischen Persönlichkeiten. Welche 
            meinst du könnten Autismus oder Asperger Syndrom gehabt haben? | 
         
         
          | Temple: | 
          Ich 
            denke Einstein hatte eine Menge autistischer Züge. Er redete 
            nicht, bis er drei Jahre alt war - ich habe ein ganzes Kapitel über 
            Einstein in meinem letzten Buch.  
            Ich denke Thomas Jefferson hatte einige Asperger Züge.  
            Bill Gates hat ein enormes Gedächtnis. Ich erinnere mich einen 
            Artikel gelesen zu haben, daß er als Kind die gesamte Torah 
            auswendig konnte.  
            Es 
              ist eine Kontinuum - es gibt einfach keine Schwarz-Weiß-Trennungslinie 
              zwischen einem Computerexperten, und sagen wir einer Asperger Person. 
              Es verläuft alles irgendwie ineinander. Deswegen, wenn wir 
              die Gene loswerden, die Autismus verursachen, könnte es ein 
              fürchterlicher Preis sein, den wir dafür zu zahlen haben. 
              Vor Jahren sagte einmal ein Wissenschaftler in Massachusetts, daß 
              wenn man alle Gene, die irgendwelche Störungen verursachten 
              ausmerzen würde, dann würden nur staubtrockene Bürokraten 
              überbleiben! 
             | 
         
         
          | 
             Tony 
              eröffnet das Interview für Fragen aus dem Publikum 
             | 
          
             Hier 
              ist eine der besten: 
            Woran 
              hast Du gemerkt, daß Du Kontrolle über Dein Leben hast? 
             | 
         
         
          | Temple: | 
          Ich 
            war kein guter Schüler in der Hochschule; Ich habe oft einfach 
            nur 'rumgehangen. Weil ich ein visueller Denker bin, mußte ich 
            den Tür-Symbolismus nutzen - eine echte reale Tür, durch 
            die ich in echt hindurchgehen konnte - das symbolisierte, daß 
            ich den nächsten Schritt im Leben tat, ein neues Level erreichte. 
            Wenn man visuell denkt, und nicht viel Information auf der Festplatte 
            hat von früheren Erfahrungen, dann muß man etwas haben, 
            das man als sichtbare Karte benutzen kann.  
             Mein 
              Naturkundelehrer hat mich für verschiedene Wissenschaftsprojekte 
              motiviert, und ich habe festgestellt, wenn ich aufs College wollte, 
              und Wissenschaftler werden, dann mußte ich lernen. Eines Tages 
              zwang ich mich durch diese Türe zu gehen, und ich sagte, "OK, 
              ich werde versuchen zu lernen während des Französischunterrichts". 
            Aber 
              es gab einen Punkt an dem ich feststellte, daß ich etwas an 
              meinem eigenen Verhalten ändern mußte. Und ich mußte 
              einige Male erfahren, daß dies nicht so einfach war, wie zum 
              Beispiel als mein Chef sauer auf mich war, weil ich so ein totaler 
              Schmutzfink war. Es gab Vorbilder, Mentoren, die mich zwangen - 
              und das war nicht immer angenehm - aber sie zwangen mich zu merken, 
              daß ich mein Verhalten ändern mußte. Ich durfte 
              nicht einfach als totaler Dreckspatz herumlaufen; Ich mußte 
              etwas tun, um diesen Zustand zu ändern.  
            Ich 
              habe einige der frühen Schriften über Autismus gelesen 
              - von Kanner, glaube ich - daß autistische Personen, die Erfolg 
              haben, merken, daß sie aktiv etwas tun müssen, um an 
              ihrem Verhalten zu arbeiten. Sie können nicht einfach herumsitzen, 
              und über die Dinge jammern und sich beschweren. Sie müssen 
              aktiv etwas tun, um diese Dinge zu ändern. Gute Mentoren können 
              ihnen dabei helfen. 
             | 
         
         
       
      Temple ist 
        Autorin von zwei Büchern über Autismus: Emergence: 
        Labeled Autistic (Durch die gläserne 
        Tür) und Thinking in Pictures. 
        Sie ist eine weltbekannte Rednerin über Störungen, die zum Autismusspektrum 
        zählen.  
        Tony Attwood ist klinischer Psychologe, in Australien praktizierend; er 
        ist spezialisiert auf Asperger Syndrom und ist eine der großen Autoritäten 
        auf diesem Gebiet. Er hält häufig Vorträge in den USA und 
        ist Autor des Buches Asperger’s Syndrome: 
        A Guide for Parents and Professionals (Das 
        Asperger Syndrom: Ein Ratgeber für Eltern) 
         
      
       
         
          Original 
             
         
       
       |